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Qualität statt Quantität? – Die vernetzte Operationsführung

 

Für das Konzept der vernetzten Operationsführung waren in der Bundeswehr in den vergangenen Jahrzehnten einige Grundlagen gelegt worden, lange bevor die USA mit dem zweiten Irakkrieg dieses Konzept demonstrierten und mit relativ begrenztem Truppeneinsatz die irakischen Streitkräfte ausschalteten und zumindest militärisch erst einmal erfolgreich waren. Eine vernetzte Gefechtsführung soll knapp bemessene Kräfte durch Aufklärungs- und Führungsüberlegenheit zu optimalem Waffeneinsatz und Gefechtserfolg befähigen. Eine umfassende Aufklärung und überlegene Führung soll den Waffeneinsatz der verschiedenen Systeme koordinieren und die Zielbekämpfung dem System zuweisen, dass lageabhängig den größten Erfolg verspricht. Panzerziele könnten dann zum Beispiel sowohl einem Artilleriegeschütz, einem Kampfpanzer, einem Luftfahrzeug oder einem Panzerabwehrlenktrupp zugewiesen werden. Die Verteidigung wäre damit nicht mehr allein in der Verantwortung einer Einheit, die in einem begrenzten Raum ihren Kampfauftrag wahrnimmt.

 

Grundvoraussetzung ist ein Aufklärungsverbund aller Kräfte im Heer und anderer Teilstreitkräfte, die Informationen über den Gegner sammeln, ein zur Informationsübermittlung leistungsfähiges, mobiles und redundantes Fernmeldenetz, ein Führungsinformationssystem in Stäben, welche die Aufklärungsdaten bewerten und die Bekämpfung den „Wirkmitteln“ (Waffensystemen) zuweisen. Qualität geht hier vor Quantität, auch wenn angesichts der Finanzlage Zweifel an der umfassenden Realisierung erlaubt sein dürften. Das Heer hatte in den Waffengattungen schon in der Struktur IV an der Vernetzung von Waffensystemen und Einheiten in rechnergestützten Führungsinformationssystemen begonnen und für die vernetzte Stabsarbeit der Großverbände mit dem System HEROS eine erste Lösung realisiert.

 

Das bekannteste Führungswaffeneinsatzsystem (FÜWES) war der Führungsinformationsverbund der Artillerie im System ADLER. Das neu Konzept des INFANTERISTEN DER ZUKUNFT (GLADIUS), der mit einer variablen Ausrüstung auch über eine umfangreiche Aufklärungs- und Kommunikationsausstattung verfügt, bindet auch die Kämpfer zu Fuß in diese Vernetzung von Führung und Einsatz ein.

 

Eine Liste im Taschenbuch “Deutsche Bundeswehr 2006/7”(CPM, St Augustin) weist fünfzehn verschiedene Subsysteme von FÜWES für Heer und SKB von ADLER der Artillerie bis ORION bei der Operativen Information aus (a.a.O. S. 487). Der “Wildwuchs” von älteren“Insellösungen” ist allerdings ein großes Problem für die Integration in ein übergeordnetes FÜHRUNGSINFORMATIONSSYSTEM HEER als kontinuierliche Weiterentwicklung von HEROS und eines Netzwerkes für das FÜHRUNGSINFORMATIONSSYTEM STREITKRÄFTE , das den Führunginformationssystemen von Heer, Luftwaffe, Marine, SKB und zentralem Sanitätsdienst übergeordnet ist und mit den Führungsnetzen der alliierten Partner und dem logistischen und administrativen SASPF-Fachinformationssystem verknüpft. Für einen übergreifenden Führungsverbund müssen an den Schnittstellen zu schon vorhandenen Subystemen der Waffengattungen, Teilstreitkräfte und Bündnispartner Lösungen für den Datenaustausch gefunden werden. Die Komponenten der Führungsinformationssyteme der Bundeswehr sind nur zu einem Teil mobil ausgelegt und “geländegängig”. Die hohe Abhängigkeit von der Technik und der Grundsatz, dass im Kriege meist nur das Einfache Erfolg hat, lässt Zweifel aufkommen, ob eine derartiges Gefechtsfeldmanagement im Einsatz so gut funktionieren würde, dass man die Reduktion von Waffeneinsatzsystemen in Kauf nehmen kann. Das Führungspersonal im Heer war gewohnt, seine Aufgaben im Rahmen der Auftragstaktik mit hoher Eigenverantwortung vor Ort wahrzunehmen.

 

Einige zum Teil schon länger vorhandene , in jüngerer Vergangenheit eingeführte oder begonnene Projekte, die zur vernetzten Gefechtsführung beitragen können, sind z.B. IFAB (integrierte Feuerleitmittel Artillerie), Drohnensysteme wie KZO (Kleinflugeräte zur Zielortung) und LUNA (Luftgestützte unbemannte Nahaufklärungsausstattung), BIGSTAF (Breitbandiges-Integriertes-Gefechtsstand Fernmeldenetz ), AUTOKO 90 (Automatisiertes Kommunikationsystem ab Brigade aufwärts), FAUST (Führungsausstattung Taktisch für Einheitsführer), HEROS 2/1 (stationäres oder mobiles rechnergestütztes System zur Unterstützung der Operationsführung im Heer) und das oben schon erwähnte FÜinfoSysH (Führungsinformationssystem Heer), das angeschlossene Teilnehmer und Stäbe vernetzt und auch die Führungswaffeneinsatzsysteme (FÜWES) der Truppengattungen einbindet. Zur Datenübermittlung dienen neben Kabel- und Richtfunkverbindungen, HF- und VHF-Funk, Satellitenkommunikation auch Lichtwellenleiter zur Vernetzung der Komponenten von Gefechtsständen.

 

In der Waffentechnologie trägt zur vernetzten Gefechtsführung natürlich auch die Fähigkeit zur Punktzielbekämpfung durch “intelligente” 155 mm-Suchzündermunition SMArt der Rohrartillerie und die GLRMS-Rakete der MARS-Raketenwerfer bei, die über bis zu 85 km nur eine Streuung von 5 m haben soll. Auch konventionelle Munition kann durch neuere Systeme zur Artilleriebeobachtung, Feuerleitung, Vermessung und Ortung viel präziser eingesetzt werden. Zu dieser Ausstattung gehört zum Beispiel das Artillerieortungsradar COBRA der gemischten Artilleriebataillone.

 

In diesen Zusammenhang gehört natürlich auch die Diskussion um die Einführung bewaffneter Drohnen

 

Jede Diskussion um die beschriebenen Einsatzoptionen ist immer wieder durch Berichte über Opfer in der Zivilbevölkerung in den außereuropäischen Krisen- und Kriegsgebieten belastet, bei denen aus der Entfernung nur durch ferne Kommandozentralen kontrollierte Waffensysteme ihr Ziel verfehlten. Der im Militär schon länger gebräuchliche Begriff der “Kollateralschäden” ist so auch schon zu einem Unwort des Jahres geworden. Die negative Berichterstattung unterstreicht die Bedeutung, die dem Verbund von Aufklärung und Führungsinformation und der Zuverlässigkeit der Systeme zukommen, und dass Einführung und Betrieb besonders kritischer Begleitung bedürfen. Echte oder in den Medien übertriebene Waffenskandale begleiten die Geschichte der Bundeswehr und dienten nur zu oft der Infragestellung des Auftrages ohne wirkliches Interesse an funktionierenden Streitkräften.

Jüngster Beitrag der Artillerie im Rahmen ihres teilstreitkräfteübergreifenden Konzepts für indirektes Feuer ist die Realisierung von umfassend vernetzten Artilleriebeobachtern auf dem Radpanzer FENNEK (joint fire support teams), die sowohl das Feuer Boden-Boden (Heer, Marine) als auch Luft-Boden (Heeresflieger, Luftwaffe) leiten können.

Damit ist die Luftwaffe, die während der Reduktionen der neunziger Jahre die Rolle der Luftnahunterstützung aufgegeben hatte, wieder mit dem Gefecht des Heeres verknüpft. Sie arbeitet mit einer allerdings in der Stückzahl sehr begrenzten Zahl von nur noch 140 EUROFIGHTERN und 85 TORNADO im Rahmen des umfassenden AIRSURFACE Konzepts an einem Teilbeitrag zur Bodenkriegführung. Die realen Einsatzstärken liegen je nach technischem Klarstand, Bedarf in Ausbildungseinheiten und Materialerhaltungsmaßnahmen deutlich niederiger. Die Realisierung einer Mehrzweckrolle des EUROFIGHTERS kommt allerdings nur langsam voran. Der TORNADO, der in den achtziger Jahren mit dem Streuwaffenbehälter MW-1 auch einen Beitrag zur Panzerbekämpfung geleistet hatte, steht nur noch in einem Taktischen Luftwaffengeschwader für die Luft-Bodenrolle für den Rest seiner Nutzungsdauer zur Verfügung und hat auch immer noch die Aufgabe der nuklearen Teilhabe wahrzunehmen (TLG 33 Büchel). Ein zweiter Verband (TLG 51 Jagel) betreibt das System zur Luftaufklärung (RECCELITE) und Bekämpfung von Flugabwehrkräften (SEAD).

Dass natürlich die Feuerkraft und die zahlreichen Unterstützungsleistungen aller Truppengattungen des Heeres, nicht nur die der Artillerie und Luftwaffe, zur vernetzten Gefechtsführung gehören und sicher auch die Hauptlast zu tragen hätten, sei hier noch einmal am Schluss unterstrichen. Die “Befähigung zum Kampf” gehört zum Hauptauftrag des Heeres als Instrument einer Politik, die sich der Vermeidung oder, wenn es sein muss, auch Eindämmung von Gewalt verpflichtet fühlen muss.

Zum Thema passt die Darstellung über den Kampf von Landstreitkräften in der Zukunft, zu der die Heeresführung vor einigen Jahren ein Arbeitspapier veröffentlichte.