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 Wo bleibt der Heimatschutz?

 

Im Szenario der Bündnisverteidigung ist Deutschland heute kein potentieller Frontstaat wie vor 1990. Deutschland ist, wie im Augenblick immer häufiger geübt, Drehscheibe im rückwärtigen Raum, vor allem Truppensteller für das Bündnis mit wichtiger militärischer, aber auch militärisch relevanter ziviler Infrastruktur. Deutschland ist zugleich eine hochentwickelte Industrienation mit vielen verwundbaren Punkten kritischer Infrastruktur, mit deren Ausschaltung oder Schädigung durch wenige „Störer“ das gesellschaftliche Leben schnell destabilisiert werden kann. Eine offene Gesellschaft bietet viele Möglichkeiten,
derartige Angriffe und Störaktionen vorzubereiten und durchzuführen. Rechtliche Schranken schränken vor der Erklärung eines Spannnungs- oder Verteidigungsfalles den militärischen Schutz ein. Militärische Schutzkräfte sind ohnehin sehr schwach aufgestellt und reichen wahrscheinlich noch nicht einmal für den Eigenschutz der Streitkräfte in der Heimat aus, wenn die Einsatzarmee mit künftig über 200.000 Aktiven und 100.000 Reservisten voll durch Bündnisverteidigung gebunden ist.

Wie berühren hier ein sensibles und der öffentlichen Diskussion bisher entzogenes Kardinalproblem….Das Risiko besteht kaum noch in den altbekannten Szenarien luftgelandeter oder durchgebrochener Feindkräfte, sondern in kleinen Gruppen von Störern, die meist gar nicht als Kombattanten erkennbar wären und möglichst im Verborgenen agieren würden. Wichtig ist hier eine möglichst flächendeckende Beobachtung und Sicherung einer Vielzahl empfindlicher Punkte. Der Kommandant einer militärischen Einrichtung wird es begrüßen, wenn das ohnehin schwache verbliebene militärische Personal beim Schutz seines Objekts durch einen Sicherungsschleier von Beobachtungsposten und Streifen außerhalb seiner Liegenschaft verstärkt würde. Ortsnahe Reservisten könnten im Spannungsfall in der Krise in der Fläche beobachten und melden und auf Weisung einer Befehlsstelle und abhängig von der Rechtslage und politischen Entscheidungen Objekte zur Not auch mit der Waffe schützen.

Das sind Aufgaben, die sehr viel Umsicht und Kenntnis von Regularien und eine Orientierung in der Umgebung voraussetzen. Hier sind wahrscheinlich lebensältere Kameraden im Vorteil, die nicht unbedingt die Fitness und Taktik von Jägersoldaten mitbringen, die aber ihren Heimatraum kennen und in Lebenserfahrung gewachsene Besonnenheit mitbringen.....

Rekrutieren sich zurzeit noch viele Reservedienstleistende aus den Reihen ehemaliger Wehrpflichtige und Zeitsoldaten (derzeit um die 600.000 mit sinkender Tendenz), sind die in deutlich geringerer Zahl ausscheidenden Freiwilligen der aktuellen Struktur erst einmal mit der beruflichen und privaten Neubestimmung beschäftigt. Hier hat man mittlerweile vorgesehen, diese ehemaligen Soldaten künftig auch wieder ohne Freiwilligkeit zu beordern. Allerdings sollen Reservistendienste (eh.Wehrübungen)  während dieser Grundbeorderung in Friedenszeiten weiterhin freiwillig bleiben. ….

Der Versuch, Ungediente durch eine militärische Ausbildung in gemeinsamer Verantwortung von Bundeswehr und Reservistenverband zu gewinnen, mag das Fehl an Beorderungen etwas mildern, löst aber nicht das strukturelle Grundproblem. Vor diesem Hintergrund sind auch die hartnäckigen Forderungen im Reservistenverband nach einer eigenständigen Heimatschutzstruktur Makulatur und werden von der Bundeswehr mit Skepsis betrachtet. Ein Blick auf die Verteilung der 30 RSU Kompanien (s. Übersicht) mit Schwerpunkt im Süden und  wichtiger Schutzobjekte mit Schwerpunkten im Westen und dem Osten Deutschlands weist Diskrepanzen auf. Die beorderungswilligen Reservisten wohnen nicht immer dort, wo sich Depots, Fernmeldeeinrichtungen und wichtige Standorte befinden. Hier wird man über pragmatische Modelle nachdenken müssen, um zusätzliche „ManWomanpower“ zur raschen Verstärkung im Heimat- und Katastrophenschutz zur Verfügung haben. Die von der Truppe für ihre Ergänzung und Verstärkung geforderten durch Lehrgänge und viele Wehrübungen qualifizierten Auswahlreservisten kommen dafür kaum in Frage. Hier setzt auch die Verfügbarkeit von Berufstätigen über längere Übungszeiträume und Zustimmung der Arbeitgeber enge Grenzen. Es sollte darum gehen, neben der strukturgebundenen Verstärkungsreserve und territorialen Reserve aus dem rückläufigen, aber noch ca. 600.000 Personen zählenden Potential von beorderungsfähigen Bürgern zusätzliche Interessenten zu gewinnen, die sich durch freiwilliges Engagement an ausgewählten Wochenenden militärisch in Übung halten, um den Kontakt zur Bundeswehr nicht völlig zu verlieren.

Das Konzept „Dein Jahr für Deutschland – Freiwillig im Heimatschutz“ könnte eine Verbesserung der Personallage bringen und den nicht aktiven Heimatschutzkräften in den RSU-Kompanien eine sicheres Planungskontingent bieten. Diese Kräfte wird man aber nicht in der Fläche verzetteln wollen.

Warum bedient man sich darüber hinaus nicht der „schlafenden Reserve“ lebensälterer Reservisten, die zu Zeiten der Wehrpflicht gedient haben und zusammen mit ausscheidenenden Zeit-/Berufssoldaten in der Freiwilligen Reservistenarbeit schon über Jahre tätig sind. Freiwilliges gesellschaftliches Engagement im
Heimatschutz ist nämlich absolut kein Novum! Der Begriff Heimatschutz ist auch keine populistische Neuerfindung, wie einige Kommentatoren schon bespötteln, sondern ein einschlägiger militärischer Fachbegriff. Er beschrieb ursprünglich vor allem militärische Vorbereitungen zur Sicherung des „rückwärtigen Raumes“ und ist ein Teil der territorialen Aufgaben, mit denen die Landesverteidigung auf dem eigenen Staatsgebiet im Bündnis unterstützte werden soll. In den Jahrzehnten nach 1990 hatte sich allerdings das Verständnis etwas mehr in Richtung Zivil- und Katastrophenschutz verschoben ....

Bei der Organisation der Corona-Hilfe 2020 hatte die Bundeswehrführung nicht die komplette Führungshierarchie der Streitkräftebasis vom Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin bis hinunter zu den Landeskommandos genutzt, sondern in Heer, Luftwaffe und Marine vorhandene Kommandos zur regionalen Führung eingebunden. Bei den Hochwasserkatastrophen vergangener Jahre hatte das Kommando territoriale Aufgaben von der Möglichkeit des Zugriffs auf die Stäbe von Heeresbrigaden ab einer bestimmten Alarmierungsstufe Gebrauch gemacht und diesen die Führung der Hilfseinsatze übertragen. Das ist bei der Amtshilfe im Frieden auch sinnvoll, aber im Bündnisfall steht der Rückgriff auf die Führungsorganisation der Teilstreitkräfte nicht zur Verfügung. Dann muss eine eigene territoriale Führungsfähigkeit aufwachsen, welche die Landeskommandos vor Ort derzeit wohl nicht wahrnehmen könnten.

 

Das  Papier "100.000 Plus -Heimatschutz B-Reserve" setzt sich mit dieser Lücke in unserer Verteidigungsplanung auseinander und schlägt eine pragmatische Lösung vor, diese Defizite auf unkonventionelle Weise zu verringern. Im Mittelpunkt steht dabei das schon sehr alte Konzept der Freiwilligen Reservistenarbeit:    

 

Zur Auseinandersetzung mit der Reserve vor über vier Jahrzehnten:    Immer Kontroversen um die Reserven